MdEP Jens Gieseke: Gesundheitsregion EUREGIO unterstreicht Innovationskraft

Uwe Fietzek, Dr. Arno Schumacher, Jens Gieseke, Thomas Nerlinger (von links). Foto: Gesundheitsregion EUREGIO

Der länderübergreifende Gesundheitsgipfel mit ReKo-Projektstart am 01.10.2019 in Nordhorn im Beisein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war ein wertvoller europäischer Brückenschlag ‚Grafschaft – Niederlande – EUREGIO – Brüssel‘ für die Gesundheitsregion EUREGIO. Aus diesem Anlass sprachen der Vorsitzende Dr. Arno Schumacher und Geschäftsführer Thomas Nerlinger mit Jens Gieseke – frisch gewähltes Parlamentsmitglied in Brüssel – und Uwe Fietzek – künftiger Landrat des Landkreises Grafschaft Bentheim.

Lieber Herr Gieseke, bei der Europawahl im Mai 2019 sind Sie für das westliche Niedersachsen (Osnabrück/Grafschaft Bentheim/Emsland) erneut in das Europäische Parlament gewählt worden. Sie engagieren sich u. a. als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI). Sie sind verheiratet und wohnen als Familie mit Ihren drei Kindern im nördlichen Emsland in Sögel. Ihr Slogan: „Politik für die Menschen in meiner Heimat“. 

Am 01.10. hat unser Länderübergreifender Gesundheitsgipfel mit acht Foren und rund 280 Gästen im Herzen der EUREGIO in der Grafschaft Bentheim in Nordhorn stattgefunden. Wie schätzen Sie die Potentiale für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren ein? 

Jens Gieseke: Grenzüberschreitende Projekte haben im Westen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens eine lange Tradition. Die Grafschaft Bentheim steht für das Miteinander auf beiden Seiten der Grenze wie kaum eine andere Region. Jetzt kommt es darauf an, die Erfahrungen aus einzelnen Projekten in der Breite umzusetzen. Europa schafft die Rahmenbedingungen beispielsweise für Patientenmobilität, aber die Patientenströme sind immer noch sehr gering. Die EUREGIO hilft, aus den positiven Erfahrungen die Potenziale zu erkennen: Fachkräfte, Grenzübergreifende Ausbildung, Notfallversorgung.

Mit den Projekten „Dorfgemeinschaft 2.0“, „Apotheke 2.0“ und seit 01.10. „Regionales Pflegekompetenzzentrum (ReKo)“ leistet unsere Gesundheitsregion EUREGIO mit 170 Mitgliedern ihren Beitrag, mit Hilfe der Digitalisierung die Gesundheit und soziale Teilhabe zur Stärkung unserer ländlichen Region zu fördern. Halten Sie eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine deutsch-niederländische „Leuchtturm-Region“ in der kommenden Legislaturperiode für realisierbar? 

Jens Gieseke: Die Gesundheitsregion EUREGIO hat mit diesen Projekten ihre innovative Arbeit unter Beweis gestellt. Und deshalb habe ich keinen Zweifel daran, dass die Erfahrungen auch über Einzelprojekte hinaus genutzt werden müssen. Ich bin optimistisch, dass wir trotz der ungeklärten Brexit-Frage auch in den kommenden Jahren eine gute Finanzierung für die Regionalpolitik und für die grenzüberschreitende Arbeit hinbekommen. Das wäre für unsere Region ganz besonders wichtig.

Zusammen mit Ihrer finnischen Kollegin Henna Virkkunen leiten Sie den Parlamentskreis Mittelstand der EVP-Fraktion und nehmen die Themen der klein- und mittelständischen Unternehmen in den Blick. Eine zu starke Belastung des Mittelstandes mit bürokratischen Auflagen gefährde aus Ihrer Sicht die Wettbewerbsfähigkeit und bremse Innovationen aus. „Das können wir uns im internationalen Wettbewerb gar nicht leisten“, so Ihr Anspruch. Welche konkreten Erleichterungen und Innovationspotentiale sehen Sie hierbei für die mittelständische Gesundheitswirtschaft in unserer Grenzregion? 

Jens Gieseke: Wir werden uns auch in den kommenden Jahren weiter intensiv mit dem Thema Arbeitskräftemobilität beschäftigen. Hier ist aus meiner Sicht und aus Sicht des Parlamentskreises Mittelstand noch viel zu tun. Und da müssen wir Fehlentwicklungen wie komplizierte Entsendebescheinigungen schnell korrigieren. Darüber hinaus hat die designierte EU-Kommissarin Stella Kyriakides von Ursula von der Leyen eine klare Aufgabe mit auf den Weg bekommen: die Schaffung eines Europäischen Health Data Space, um den Austausch von Gesundheitsdaten zu fördern. Wir müssen schnell die Voraussetzungen dafür schaffen, das Potential von e-health zu nutzen.

Lieber Herr Fietzek, Sie werden als parteiloser Erster Kreisrat ab 01.11.2019 das Amt des Landrates des Landkreises Grafschaft Bentheim übernehmen. Gern nutzen wir anlässlich des anstehenden Länderübergreifenden Gesundheitsgipfels die Gelegenheit, mit Ihnen einen Monat vor Ihrem Amtsantritts einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Die Podiumsdiskussion der Landratskandidaten im Zuge der Sondervisite unserer Gesundheitsregion trägt die Überschrift „Gesundheit als Megathema wahrnehmen“. Inwiefern trifft das Ihrer Meinung nach auch für die Grafschaft Bentheim zu?

Uwe Fietzek: Im Rahmen der Gesundheitsregion Grafschaft Bentheim verfolgen wir gemeinsam mit vielen Akteuren die Ziele „Gesund aufwachsen“, „Medizinisch und menschlich gut versorgt“ sowie „Gesund alt werden“. An diesen Schwerpunkten wird deutlich, dass es sich auch in der Grafschaft um ein Megathema handelt. Vor dem Hintergrund der demographischen Veränderungen beobachten wir einerseits eine älter werdende Gesellschaft, in der gesundheitliche Probleme zunehmen. Andererseits verursacht diese Veränderung einen Mangel an Fachkräften, auch und insbesondere im Bereich Gesundheit. Der ländliche Raum beinhaltet zudem besondere Rahmenbedingungen im Hinblick auf Erreichbarkeit von Leistungen, regionale Lösungsfindung und eine regionale Planung von Angeboten. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, insbesondere im hausärztlichen Bereich, unterstützen wir als Landkreis Grafschaft Bentheim aktiv durch vielfältige Förderprogramme. Die enge Zusammenarbeit der Akteure in der Region stellt eine wichtige Grundlage für eine zukünftige bedarfsgerechte Versorgung unserer Region mit Fach- und Hausärzten dar. Letztlich bleiben aber unsere Forderungen nach der deutlichen Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze und die Einführung einer Landarztquote ein entscheidender Baustein für eine zukünftige Versorgung. Zur gesundheitlichen Versorgung gehört aber auch eine bedarfsgerechte Pflege älterer Menschen. Eine steigende Zahl Grafschafter Bürgerinnen und Bürger benötigen Pflege. Daneben verändern sich Familienstrukturen, so dass eine Sorge und Pflege durch Angehörigen häufig nicht möglich ist. Der Landkreis Grafschaft Bentheim engagiert sich in der Beratung mit dem Pflegestützpunkt. Die Entwicklung eines bedarfsdeckenden Angebotes durch die Leistungsträger stellt die Herausforderung der Zukunft dar. Abschließend stellt sich die Entwicklung der Digitalisierung gleichermaßen als Herausforderung wie Chance dar, eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit und Versorgung zu verbessern.

„Wir wollen den Menschen eine gute Versorgung im Alter bieten.“, so Ihr Statement in der Podiumsdiskussion. Welche Chancen sehen Sie hierfür im Zuge unseres vierjährigen Innovationsfondsprojektes „Regionales Pflegekompetenzzentrum (ReKo)“, das unter Beteiligung des Landkreises Grafschaft Bentheim am 01.10. in der Modellregion Grafschaft Bentheim/Emsland starten wird?

Uwe Fietzek: Das Projekt ReKo beinhaltet im Kern zwei Bestandteile. Es beinhaltet mit einer zu entwickelnden digitalen Plattform einerseits einen zentralen Ort für Bündelung von Daten zu Angebot und Nachfrage. Andererseits werden durch eine Case-Managementorganisation in Fällen, in denen die Versorgung durch Regelangebote nicht ohne weiteres funktioniert, Erfahrungen gesammelt. Das Projekt setzt also an der Gestaltung von sektorenübergreifenden Strukturen an. Der Landkreis Grafschaft Bentheim kooperiert mit seinem Pflegestützpunkt mit dem Innovationsprojekt. Die Ausgestaltung der Umsetzung wurde im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit dem Projektträger gemeinsam entwickelt, um eine Einbindung in die regionalen Strukturen zu erreichen. Ich erwarte daher mit der Projektumsetzung eine Verbesserung der Situation vor Ort und freue mich, dass wir in der Region zur Entwicklung eines Modells für eine zukünftige Ausgestaltung beitragen können.