Beim Herzstillstand keine Zeit verlieren – Gesundheitsregion EUREGIO und DRK veranstalten die „Woche der Wiederbelebung“

Bei einem Herzstillstand zählt buchstäblich jede Minute. Wird sofort mit der Herzdruckmassage begonnen, ist die Chance zu überleben bis zu drei Mal höher. Die traurige Realität zeigt allerdings, dass in Deutschland nur in einem Bruchteil der Fälle umgehend Ersthelfer eingreifen. Durch die bundesweite „Woche der Wiederbelebung“ soll die Bevölkerung ermutigt werden, im Notfall zügig Hilfe zu leisten.

In der Grafschaft Bentheim haben in diesem Jahr das Deutsche Rote Kreuz und der Verein Gesundheitsregion EUREGIO gemeinsam einige Projekte im Rahmen der Aktionswoche auf die Beine gestellt. „Wir freuen uns, über die gelebte Partnerschaft mit dem Lise-Meitner-Gymnasium“, so Thomas Nerlinger, Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsregion EUREGIO. Dabei ging es vor allem um die Motivation junger Menschen: So haben Fachkräfte von DRK und EUREGIO-KLINIK am Donnerstag, 24. September, den gesamten zehnten Jahrgang des Lise-Meitner-Gymnasiums in Neuenhaus mit der Herzdruckmassage vertraut gemacht. Zunächst stand dabei die Theorie auf dem Stundenplan. Den Schülern wurde das simple Schema „Prüfen, Rufen, Drücken“ vermittelt, wie es die Initiative „Ein Leben retten – 100 Pro Reanimation“ vorsieht. Das bedeutet, zunächst den Zustand – insbesondere die Atmung – des Patienten zu überprüfen, dann unter Notruf 112 den Rettungsdienst zu rufen und schließlich mit der Herzdruckmassage zu beginnen.

Mit Popmusik ein Leben retten

Bald konnten die Jugendlichen auch schon auf die Übungspuppen losgelassen werden. Zu den Klängen des „Bee Gees“-Schlagers „Stayin‘ Alive“ drückten sie mit durchgestreckten Armen den Brustkorb der Puppen 100 Mal pro Minute rund fünf Zentimeter ein und bewiesen dabei eine ordentliche Ausdauer. Dr. Andreas Bongartz, Ärztlicher Leiter in der Notaufnahme der Euregio-Klinik, und DRK-Ausbilder Christoph Hehsling sind vom Engagement der Schüler beeindruckt. „Es geht nicht darum, es perfekt zu machen“, sagt Hehsling. „Hauptsache, das Blut zirkuliert.“ Jede Hilfe sei besser als gar keine.
Der 15-jährige Matthis hat sich gut geschlagen, obwohl dies sein erster Berührungspunkt mit der Herzdruckmassage war. Mehrere Minuten hat er durchgehalten. „Das war schon ziemlich anstrengend“, gibt er zu. Der Zehntklässler ist aber überzeugt: Er würde es auch anwenden, wenn er zu einem echten Notfall kommt. Damit wäre das Ziel der Aktion im Lise-Meitner-Gymnasium erreicht: „Die Schüler sollen für das Thema sensibilisiert werden. Es geht vor allem darum, Hemmungen abzubauen“, sagt Maike Esmann. Die Lehrerin hat im vergangenen Jahr in Kooperation mit dem DRK den Aufbau eines Schulsanitätsdienstes betreut.

Schulsanitäter entdecken die Rettungskette

Die jungen Helfer der neuen Sanitätsgruppe in den auffälligen Jugendrotkreuz-Shirts waren am Donnerstag ebenfalls vor Ort und gaben Hilfestellung. Für sie stand bereits zwei Tage zuvor eine besondere Exkursion an: Am Dienstag, 22. September, fuhren sie nach Nordhorn und konnten dort an mehreren Stationen den Ablauf der Rettungskette kennenlernen. Zunächst ging es für die Jugendlichen zur Rettungsleitstelle im Kreishaus. Dort laufen die Anrufe über die Nummer 112 auf. Gerald Voet führte die Schülergruppe durch die Gänge und klärte auf dem Weg zur eigentlichen Notrufzentrale noch manchen Aspekt. „Was ist denn der Unterschied zwischen Kranken- und Rettungswagen?“, fragte er in die Runde. Schnell wurde erläutert, dass im Notfall doch eher der Rettungswagen ausrückt und nicht – wie im Volksmund begrifflich verankert – der Krankenwagen.

Dann folgte der Blick in den Leitstellenraum. Mehrere Bildschirme stehen dort, die den Disponenten unter anderem mit Kartenmaterial versorgen und über den jeweiligen Status der verschiedenen Einsatzfahrzeuge aufklären. Hier berichteten die Leitstellenmitarbeiter Albert Paul und Sven Kuipers aus ihrem Berufsalltag. So liegt jedem Notruf eine Liste zugrunde, die abgearbeitet wird und anhand derer die Dringlichkeit des Falls ermittelt wird – aber auch das Bauchgefühl hilft bei mancher Entscheidung. 200 Mal klingelt hier innerhalb von 24 Stunden das Telefon. Scherzanrufer haben übrigens schlechte Karten. Jeder Notruf wird aufgezeichnet, und auch „unterdrückte“ Nummern werden angezeigt. Und einen besonders wichtigen Hinweis gaben die Disponenten den Schülern noch mit auf den Weg: Bei einem Notruf beendet immer der Mitarbeiter in der Leitstelle das Gespräch und nicht der Anrufer. Erst dann sind alle relevanten Informationen übermittelt.

Notaufnahme der EUREGIO-KLINIK versorgt 27.000 Patienten im Jahr

Weiter ging es für die Mädchen und Jungen in Richtung EUREGIO-KLINIK. Dort stand Christoph Hehsling mit einem Rettungswagen vor der Zentralen Patientenaufnahme bereit und öffnete für die Schüler alle Türen und Klappen des Fahrzeugs. Von der Schaufeltrage bis zum EKG-Gerät sahen die Schulsanitäter allerlei Equipment, das die DRK-Einsatzkräfte im Notfall zur Rettung von Menschen einsetzen. Zwei der Schüler durften sich dann selbst einmal auf die gelbe Trage legen und erlebten, wie sich das Aufkleben der EKG-Elektroden oder die Vorbereitung eines venösen Zugangs am Unterarm anfühlen – bei Letzterem wurde aber natürlich nicht wirklich zugestochen.
Nur wenige Schritte weiter erfuhren die Jugendlichen, wie die Behandlung von Notfallpatienten im Krankenhaus weitergeht. Dr. Andreas Bongartz führte siezunächst in den Schockraum. „Hier gibt es alle Möglichkeiten, lebensbedrohlich erkrankte Personen zu versorgen und zu stabilisieren“, erklärte er. Ein ganzes Ärzteteam findet hier Platz und sogar Notoperationen können vorgenommen werden – auch wenn dies äußerst selten der Fall ist. Die Mitarbeiter der Notaufnahme haben viel zu tun: Dr. Bongartz schätzt, dass im Jahr 2015 dort insgesamt 27.000 Menschen aufgenommen beziehungsweise behandelt werden.

 

 

 

 

 

 

Berufswunsch: Notfallsanitäterin

Für die Schüler ging damit ein Vormittag voller interessanter Eindrücke zu Ende. „Das war sehr spannend“, sagt die 16-jährige Milena und fügt hinzu, dass sie an diesem Tag einen Blick auf ihren zukünftigen Arbeitsplatz werfen konnte. Für die Schülerin, die auch im Jugendrotkreuz engagiert ist, steht der Berufswunsch nämlich schon fest: „Ich will Notfallsanitäterin werden!“

Bericht und Fotos: Sebastian Hamel

Pressespiegel:
ev1.tv vom 26.09.2015
Grafschafter Nachrichten vom 25.09.2015

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